Das Geisterhaus in der Mörjeralpe

Land: Schweiz
Kategorie: Sage

Auf der Rieder- oder Mörjeralpe, welche die Touristen auf der Fahrt zwischen Eggishorn und der Belalp passieren, findet sich der der Kapelle ein altes dreistöckiges Haus, dessen unterste Wohnung sehr unheimlich ist. Niemand getraut sich darin zu wohnen. Ein Nachbar hörte darin einmal die ganze Nacht hindurch "nisten und gummern", als wenn viele alte Schriften und Pergamente aufgerollt, gelesen und umhergeschmissen würden. — Ein gewisser Jost aus Mörel und ein Joseph Kummer aus Ried zogen sich in diesem Hause ihren "lahmen Tag" zu. Der Letztere sah einmal am hellen Tage im offenen Vorhause einen grossen Raubvogel herumflattern. Glaubend, es sei ein natürlicher, schickte er sich an, denselben aufzufangen. Aber der Vogel flog über ihn weg und stach ihn zu gleicher Zeit so ins Knie, dass er lahm wurde für sein Leben lang.

Recht übel wurde in diesem Hause auch behandelt der Hr. Kaplan Mooser, damals Rektor in Ried. Dieser erzählte mir selbst, er habe am 17. August 1842 nach der schönen Mörjeralpe einen Ausflug gemacht und sei vom Hrn. Kaplan Benetz, weil der Tag zu kurz wurde, eingeladen worden, bei ihm zu übernachten. Dieser machte ihm, weil sonst kein Platz war, ein Bett in der Bozenstube zurecht — er selbst bewohnte im gleichen Hause den obersten Stock — und führte ihn, nach Spazierengehen, Nachtessen und sehr geliebtem Troggenspiel, gegen elf Uhr in der Pacht in dieselbe hinab. Hr. Mooser wusste nichts vom Bozenspuke und war mit der angewiesenen Herberge wohl zufrieden. Um zur Stube zu gelangen, passierte man das Vorhaus und die Küche, wo allerhand Hausgerümpel ohne Ordnung herumlag. In der Wohnung selbst fand er leere Wände und Bänke und zwei alte Bettstätte, von denen die eine leer, die andere aber für ihn zurecht gelegt war. Vor dieser lag ein grosser Kasten, der als grosser Staffel zum hohen Bette benutzt wurde. Nichts Schlimmes ahnend, wollte er müde und schläfrig eben sorgenfrei einschlafen, als er durch ein Geräusch in der Küche aufgeweckt wurde. Er meinte, man habe die Haustüre nicht wohl verschlossen und eine verlaufene Alpenziege suche da ein Unterkommen; doch bald hörte er mit kräftigem Rucke die Stubentüre öffnen, eintreten und regelmässig in drei verschiedentönigen Schlägen herumklopfen. Noch immer glaubte er etwas Natürliches zu hören und wollte als Priester weder an Bozen glauben, noch sich vor denselben fürchten. Er schickte sich darum an, wieder einzuschlafen. Da wurde sein Haupt samt dem Kissen sanft in die Höhe gehoben und es klopfte fort. Noch immer glaubte er, ein Spiel der Phantasie vor sich zu haben und wollte nochmals einschlafen. Und er wurde samt dem Kissen ein zweites Mal und noch höher gehoben und es klopfte wieder. Es währte aber nicht lange, da wurde er zum dritten Male mit dem Kissen in die Höhe gehoben und diesmal mit solcher Kraft, dass sein Oberleib fast senkrecht sich aufrichtete und mit Krachen ins Bett zurückfiel. — Das war dann doch zu viel. Der so geschreckte Herr richtete sich nun im Bette auf, sah mit weit geöffneten Augen in der finstern Stube nach dem Gespenste um und fing an zu beten. Und es klopfte fort, aber sanfter. Der gute Herr war vollkommen ratlos, was er nun anfangen wolle, entschloss sich jedoch zum Ausharren, weil er sich der Flucht schämte. Darum legte er sich wieder nieder, aber diesmal das Gesicht zur Wand gekehrt. Da hörte er einen gewaltigen Satz auf den Bettkasten und fühlte das Gespenst neben sich im Bette, das ihn zu erdrücken drohte. Es schien ihm, ein feuriges Schwein zersteche mit seinen glühenden Borsten ihm den Rücken bis ins innerste Mark. Dann packte es ihn so heftig am Genick, dass er vor Schmerzen laut aufgeschrien hätte, wenn er zu Atem hätte kommen können. Er glaubte zu sterben und empfahl sich in Gedanken Gott und der Mutter Gottes an. — Und sieh! im Nu ist das Gespenst fort und er wieder frei. Mit einem einzigen Satz sprang er nun, laut aufschreiend, aus dem Bette, haschte die Kleider zusammen, nahm die Schuhe zur Hand und suchte das Freie. — Es mag gegen zwölf Uhr gewesen sein. — Die übrige Nacht brachte er in einem warmen Ziegenstalle zu und fand am Morgen auf seinem Genicke fünf blaue Flecken als deutliche Male einer groben fünffingrigen Hand. — Wer die Geschichte nicht glauben will, der frage den so schwer Geprüften selbst; er lebt noch. — Möge er noch lange leben!

 

Quelle: M. Tscheinen, P. J. Ruppen, Walliser Sagen, gesammelt und herausgegeben von Sagenfreunden, Sitten 1872.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch

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